Ein Echo für Giuliano

Reden ist bekanntlich Silber. Deshalb stand dieser Blog ein halbes Jahr lang still. Ich blogge nur, wenn ich etwas zu sagen habe. Und etwas sagen will. Es gibt Tausende Dinge, die man sagen, Millionen Beobachtungen, die man teilen kann. Soll? Warum schreiben Menschen überhaupt? Warum erfährt das Bloggen einen derartigen Hype, warum glauben so viele Menschen, etwas sagen zu müssen, etwas mitzuteilen zu haben, das andere lesen möchten? Ich glaube: darum geht es nicht. Es geht darum, sich zu verewigen. Dahinter steckt die Angst, nicht gehört zu werden, sang- und klanglos von dieser Erde zu verschwinden, unbemerkt. Ohne ein Echo zu hinterlassen.


Giuliano hinterlässt ein Echo, ein mächtiges. Mein Kumpel aus Rom, mein Lieblings-Italiener aus unserer Gang „La Famiglia“ zu Erasmus-Zeiten in Schweden, war in so vielen Initiativen gleichzeitig engagiert, dass der Tag auch mit 30 Stunden nicht ausgereicht hätte, um sein Engagement für ein Neues Italien, für Globalisierung, europäische Integration und liberales Gedankentum in all seinen Blogs, Radio- und Fernsehsendungen, seinen NGOs und Vereinen zu fassen. Die Abschiedsbriefe, die Huldigungen und Freundschaftsbekundungen im Internet sind überwältigend. Er starb am Sonntag an einem Herzinfarkt im Alter von 29 Jahren.


Ist es richtig, traurig zu sein? Darf man weinen über den Weggang eines Menschen, mit dem man in sieben Jahren kaum Kontakt hatte? Ich frage mich, wann Trauer echt und gerechtfertigt ist. Woran lässt sich messen, ob empfundene Trauer dem Weggang einer geschätzten Person gilt oder der Wut über den eigenen Egoismus, der mich zwischen Wohnungs- und Jobsuche, Urlaubsträumen und Klamottenkäufen das Leben an sich vergessen lässt? Sein Tod ist so willkürlich, dass es mir den Atem raubt. Er war jünger als ich. Und macht uns mit seinem Weggang noch einmal ein Geschenk: Die Einsicht, dass nichts selbstverständlich ist.


Addio, Giuliano. E grazie per tutto.

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