Des is a Wahnsinn

Wenn mein Bruder in neuen Städten unterwegs ist, interessiert er sich weniger für Burgen, Schlösser, Museen und Parks als vielmehr für die Lebensmittelgeschäfte am Ort. „Man lernt am meisten über eine andere Kultur durch das Sortiment in den Supermärkten“, erklärte mein Bruder schlau. So zieht er durch Aldi, Plus und Konsorten, um sich ein Bild über das lokale Lebensmittelangebot zu machen. Besonders beeindruckt hat ihn dabei pinke Punsch-Glasur für Backwaren in einem Wiener Supermarkt.


Würde er nicht Soziologie studieren, hätte ich ihn längst einweisen lassen. Aber ein Studienfach, das gesellschaftliche Phänomene untersucht, ist die wahrscheinlich einzige plausible Entschuldigung für soviel Wahnsinn. Natürlich hat er recht damit, dass Kaufverhalten und Essgewohnheiten kulturell geprägt sind. Bestes Beispiel dafür: das Wiener Schnitzel. Da gibt es jede Menge Miss- und Unverständnisse aus dem Weg zu räumen. Denn was viele nicht wissen: ein echtes Wiener Schnitzel wird aus Kalbfleisch gemacht, nicht aus Schwein (das darf sich höchstens „Schnitzel Wiener Art“ schimpfen). Und die richtige Größe hat es erst dann, wenn es über den Tellerrand rüberlappt.


Ich frage mich, wo diese Idee mit dem Schnitzel eigentlich herkommt. Und wie immer, wenn ich mich etwas frage, halte ich es mit der guten, alten Sesamstraße: „Wer nicht fragt, bleibt dumm.“ Wikipedia, meine erste Station, sagt dazu dies:


Schnitzel (als Diminutiv snitzel abgeleitet von mittelhochdeutsch sniz für „Schnitt“) bezeichnet allgemein von einem Gegenstand abgeschnittene (oder auch abgerissene) Stückchen (siehe auch: Schnitzeljagd, Geschnetzeltes).“


Hätte ich mir denken können. Kommt es nicht aus dem Lateinischen, Griechischen oder Hebräischen, ist Mittelhochdeutsch immer ein guter Tipp. Erklärt aber noch lange nicht, wer warum auf die Idee kam, ein Stück Fleisch in Brotkrümeln und Ei zu wälzen. Herr Wälz vielleicht? Ich schnüffele weiter in Wikipedia und erschauere. Nichtsahnend bin ich direkt in ein heikles Kapitel europäischer Geschichte gestolpert – mit dem Schnitzel und seiner Herkunft wurden nämlich die österreichisch-italienischen Beziehungen auf eine harte Probe gestellt.


Demnach konnte erst 2007 durch einen österreichischen Sprachforscher die Legende widerlegt werden, dass die Zubereitung des Schnitzels auf eine Mailänder Fleischspeise zurück geht. Somit war, ist und bleibt das Wiener Schnitzel eben das: eine Wiener Spezialität und nicht irgendein Import. Grad nochmal gut gegangen.

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